Wie eine umstrittene Grafik die Debatte über Migration und Sexualstraftaten verzerrt

Wie eine umstrittene Grafik die Debatte über Migration und Sexualstraftaten verzerrt
Eine umstrittene Grafik, die von rechtsextremen Politikern und Medien verbreitet wurde, hat in Deutschland eine Debatte über Kriminalstatistiken entfacht. Das Diagramm, das ursprünglich 2023 von T-Online veröffentlicht wurde, sollte einen Zusammenhang zwischen Migration und steigenden Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nahelegen. Doch die offiziellen Daten erzählen eine andere Geschichte.
Die fragliche Grafik tauchte erstmals in einem T-Online-Artikel vom August 2023 auf und basierte auf Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). 2024 wurde sie von AfD-Abgeordneten – darunter Maximilian Krah und Maximilian Kneller – sowie vom österreichischen Portal Report24 weiterverbreitet, dessen Chefredakteur Florian Machl sie promotete. Die Botschaft war klar: Migranten seien für den Anstieg sexueller Straftaten seit 2015 verantwortlich.
Doch die PKS erfasst weder die Staatsangehörigkeit noch den Aufenthaltsstatus von Tatverdächtigen, was Aussagen über die Beteiligung von Migranten unzuverlässig macht. Bundesweite Lageberichte von 2015 bis 2022 zeigen, dass die Mehrheit der Beschuldigten deutsche Staatsbürger waren. Zwar waren Geflüchtete im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil überrepräsentiert, doch machten sie nur einen kleinen Teil der Gesamtzahl der Tatverdächtigen aus.
Der Anstieg der Fallzahlen seit 2015 ist vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen: eine Zunahme von Fällen sexueller Belästigung und einen deutlichen Anstieg von Straftaten im Zusammenhang mit kinderpornografischem Material. Allein zwischen 2020 und 2021 verdoppelte sich nahezu die Zahl der Delikte im Zusammenhang mit der Verbreitung pornografischen Materials – insbesondere von Missbrauchsabbildungen. Dieser drastische Anstieg, nicht die Migration, erklärt einen Großteil des statistischen Wachstums.
Ein weiterer langfristiger Trend ist das deutliche Geschlechterungleichgewicht unter den Tatverdächtigen. Von 1987 bis 2022 waren männliche Beschuldigte in Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung durchgehend und deutlich in der Überzahl.
Mitte Oktober räumte Bundeskanzler Friedrich Merz ein "Problem" mit Migration in deutschen Ballungsräumen ein. Die Daten zu Sexualstraftaten stützen jedoch keinen direkten Zusammenhang zwischen Zuwanderung und steigenden Fallzahlen.
Die Diskussion um die Grafik zeigt, wie Statistiken ohne angemessenen Kontext verzerrt dargestellt werden können. Die offiziellen Zahlen belegen: Zwar sind Geflüchtete in einigen Kategorien überrepräsentiert, die Mehrheit der Tatverdächtigen bleibt jedoch deutsch. Die eigentlichen Treiber hinter den steigenden Fallzahlen sind die zunehmende Anzahl von Anzeigen wegen sexueller Belästigung und der Verbreitung von Missbrauchsabbildungen – nicht die Migration.